Zum Begriff der Unverzüglichkeit der Asylantragsstellung nach der Einreise in das Bundesgebiet

 
(Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 24.04.2023 – 13 K 4622/21.A)

Der Zeitrahmen der Absätze 1 und 2 des § 3 Mutterschutzgesetz (MuSchG), wonach für werdende Mütter grundsätzlich von den letzten sechs Wochen vor der Entbindung an bis acht Wochen nach der Entbindung ein Beschäftigungsverbot besteht, ist auch bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 AsylG eines Asylantrags zu berücksichtigen.

Gem. § 26 Abs. 1 Nr. 3 AsylG muss die Asylantragstellung unverzüglich nach der Einreise erfolgen. Unverzüglich bedeutet dabei ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Bürgerliches Gesetzbuch BGB). Der Asylsuchenden hat in der Regel zwei Wochen ab der Einreise Zeit, um den Asylantrag zu stellen. Ein späterer Antrag ist regelmäßig nur dann rechtzeitig gestellt, wenn sich aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall ergibt, dass der Antrag nicht früher gestellt werden konnte.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin am 19.02.2016 in das Bundesgebiet eingereist und hatte den Asylantrag am 12.05.2016 gestellt. Zwischen der Einreise und der Antragstellung lagen somit mehr als die regelmäßig für die Unverzüglichkeit der Asylantragsstellung geltenden zwei Wochen. Zum Zeitpunkt der Einreise war die Klägerin allerdings hochschwanger. Sie gebar am 19.03.2016, also nur vier Wochen nach der Einreise, ihr Kind. Das Gericht hatte daher darüber zu entscheiden, ob die fortgeschrittene Schwangerschaft und die Geburt des Kindes besondere Umstände im oben genannten Sinne darstellen, die eine spätere Antragstellung rechtfertigen.

Mit dem Urteil des Gerichts wurde dies nun zugunsten der Klägerin bestätigt. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass eine Mutter kurz vor und nach der Geburt einer besonderen körperlichen Schonung bedarf und die Zeit nach der Geburt außerdem für den Aufbau eines gesunden Mutter-Kind-Verhältnisses von besonderer Bedeutung ist. Diese Wertung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 MuSchG zum Ausdruck gekommen ist: Danach dürfen werdende Mütter in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung grundsätzlich nicht mehr beschäftigt und die Tätigkeit auch in der Regel bis acht Wochen nach der Entbindung nicht mehr aufgenommen werden.

Bisher war bereits anerkannt, dass die Wertungen der § 3 Abs. 1 und Abs. 2 MuSchG im Rahmen der Durchführbarkeit von Abschiebungen zu berücksichtigen sind (VG Augsburg, Urteil vom 26.04.2022 – Au 6 K 21.50423).

Mit dem aktuellen Urteil des VG Köln wurde nun erstmalig entschieden, dass die psychische und physische Belastung einer Schwangeren beziehungsweise jungen Mutter in den 14 Wochen vor und nach der Geburt so enorm ist, dass es ihr nicht zumutbar ist, innerhalb dieses Zeitraums einen Asylantrag zu stellen.

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